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SG&A als notwendige Chance für die Automobilzulieferer

Das große Aufräumen im eigenen Hause steht bevor

In der aktuellen Ausgabe widmen wir uns dem Kostenreduktionspotenzial im SG&A-Bereich bei Automobilzulieferern, dessen Herausforderungen sowie wesentlichen Erfolgsfaktoren. Die wichtigsten Informationen in Kürze:

  • Automobilzulieferer sind zwischen Kosteninflation (Material, Logistik, Energie, Löhne), Preisdruck und historischen Verträgen mit den OEMs gefangen
  • Die Kosteninflation erhöht den Handlungsdruck: Um Margen zu verteidigen, müssen Kostenstrukturen jetzt nochmals auf den Prüfstand gestellt werden
  • Mit 33-52% an Kostensenkungspotenzial im Vergleich zu Top-Performern, wird der SG&A-Bereich zu einem wichtigen Hebel zur Kostensenkung
  • Schlechte Messbarkeit, hohe Komplexität, unklare Prioritäten, Widerstände von Betriebsräten und Mitarbeitenden sowie historisch gewachsene Legacy Strukturen stellen viele Unternehmen bei der Transformation der SG&A-Funktionen vor große Herausforderungen
  • Begleitet von weiteren Erfolgsfaktoren ist der Buy-In des Managements und eine Top Down Zielsetzung entscheidend, um SG&A erfolgreich als Chance zu nutzen

Der Margendruck für Zulieferer steigt

Die gesamte Automobilbranche steht aktuell, getrieben durch Industrietrends, wie etwa dem Übergang zur E-Mobilität und Digitalisierung, vor einem substanziellen Wandel. Hinzu kommen derzeit weitere stark disruptive Faktoren wie Kosteninflation, Covid-19, Zinsenpolitik und Lieferkettenunterbrechungen.

Besonders der Übergang zur E-Mobilität ist teuer und verlangt neue Geschäftsmodelle und Partnerschaften (beispielsweise mit Tech-Playern). ESG-Anforderungen, Regulation, Zertifizierungen und Compliance sind weitere Kostentreiber. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit durch das Legacy Geschäft Geld für die nötige Veränderung zu verdienen.

Insbesondere Zulieferer sind dabei zwischen Kosteninflation (Material, Logistik, Energie, Löhne), Preisdruck und historischen Verträgen mit den OEMs gefangen. Nicht alle Kosten können direkt an den Kunden weitergegeben werden. Die Kosteninflation erhöht nun den Handlungsdruck: Um die Margen zumindest zu verteidigen, müssen die Kostenstrukturen in Unternehmen jetzt nochmals kritisch auf den Prüfstand gestellt werden.

SG&A als „Last Resort“, um steigendem Margendruck zu begegnen

Neben den direkten Kosten (Produktion, direktes Material, etc.), bei denen Automobilzulieferer in den letzten Jahren etwa durch Lean oder Verlagerung bereits eine Reihe an Kostensenkungsprogrammen durchgeführt haben, stellt der SG&A-Bereich („Selling, General & Administrative Expenses“) einen bislang vergleichsweise wenig beachteten Hebel zur Kostensenkung dar.

Die Transformation der SG&A-Funktion stellt jedoch viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Kostensenkung in den SG&A-Funktionen, wie Einkauf, Finanzabteilung, HR und Marketing, verlaufen oft schleppend. Wesentliche Gründe hierfür sind mitunter die schwierige Quantifizierbarkeit, hohe Komplexität, unklare Prioritäten, Widerstände von Betriebsräten und Mitarbeitenden sowie historisch gewachsene Legacy Strukturen und Denkweisen.

Um die SG&A-Kosten gezielt zu senken, sollten Automobilunternehmen das Problem an der Wurzel angehen. Zu den typischen Ursachen für eine schwache SG&A-Leistung zählen beispielsweise:

  • Die schwere Messbarkeit der Leistung von SG&A-Funktionen
  • Eine unklare Definition notwendiger Services an das Business
  • Eine historisch gewachsene Fragmentierung von Prozessen, Mitarbeitern und Daten
  • Ein fehlender Ansatz, um Services professionell zu bündeln, zu standardisieren und mit Tools zu unterstützen

Hohes Kostensenkungspotenzial für Zulieferer im SG&A-Bereich 

Da noch weitgehend unangetastet, bestehet für Automobilzulieferer ein hohes Kostensenkungspotenzial im SG&A-Bereich. Je nach Sektor liegt die SG&A-Quote großer globaler Automobilzulieferer derzeit durchschnittlich bei 9,3%-12,3%. Im Durchschnitt haben die Zulieferer dabei eine SG&A-Kostenlücke in Höhe von 33-52% im Vergleich zu Unternehmen, die im ersten Quartil liegen (siehe Grafik 2). Auf Ebene der Industriesektoren ist die Lücke in den Bereich „Structures“, „Multiple“, „Chassis“am größten.

Um das noch wenig adressierte Kostensenkungspotenzial zu nutzen, gibt es in erster Linie drei grundsätzliche Stoßrichtungen (siehe Grafik 3): Das Beenden aller „No-Value Add“ Prozesse, wie beispielsweise das Abstellen unnötiger Services an das Business („Stop“), das Vereinfachen von Strukturen und Prozessen („Simplify“) und das Vorantreiben von Digitalisierung und Automatisierung sowie Sachkostenreduktion („Perform“).

Genauer betrachtet umfasst dies zum Beispiel Folgendes:

  • Beenden von „No Value Add“:

Zur Eliminierung nicht benötigter Service Level Agreements, Prozesse und Dokumente müsste zunächst die Art, Frequenz und Tiefe der SG&A-Funktion hinterfragt werden (Reports, Profitabilitätsanalyse, Chargebacks, IT Service Desks). Es sollte in Frage gestellt werden, ob Serviceprodukte benötigt werden, die nur an interne Stakeholder gehen. Außerdem sollten die Gremienlandschaft beziehungsweise der Teilnehmerkreis sowie sämtliche Entscheidungsprozesse auf die Essenz fokussiert werden. Planung sollte effizient, „top down“, treiberbasiert und strategisch erfolgen.

  • Schlanke Organisation / Offshoring:

Ein weiterer wesentlicher Hebel kann die Verschlankung der Organisation durch Bündelung, Shared-Services, Verlagerungen und Offshoring sein. Um die Organisation zu verschlanken, können transaktionale Prozesse in ein Shared Service Center verlagert oder outgesourct werden. Hierfür eigenen sich zum Beispiel Payroll, Reisekostenabrechnung, Ressourcenplanung, Accountingprozesse, Stammdatenmanagement und einfache Analytics-Aktivitäten. Außerdem sollte die Anzahl an Führungsebenen und der Leitungsspannen sowohl in Fachbereichen als auch in den Werken hinterfragt und Rollenzusammenlegungen realisiert werden (z.B. Vorkalkulatoren und Lead Controller, Projektmitteleinsatzplaner).

Bezüglich des Einkaufs und Productcontrollings müssen zwar einerseits aufgrund von Markttrends neue Themen aufgebaut werden (z.B. Beschaffung / Controllings von Komponenten des Elektroantriebs, neue Services), gleichzeitig aber auch bisherige Themen heruntergefahren werden (z.B. Controlling für Komponenten von Verbrennungsmotoren). Dies gut zu synchronisieren ist für die Kosteneffizienz essenziell.

  • Digitalisierung und Automatisierung:

IT-Lösungen zur Verbesserung und Eliminierung von Prozessschritten beinhalten unter anderem den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Serviceprozessen sowie von Rapid Process Automation (RPA), zum Beispiel im Bereich Purchase to Pay (P2P), beziehungsweise Automatisierung von sich wiederholenden Aktivitäten nach einem Standard. Außerdem können zur Kostensenkung vermehrt Self-Service Funktionen angeboten werden (z.B. Personalstammdaten, Benefits) sowie abteilungsübergreifende digitale Planungstools, um unterschiedliche Tool Formate (Excel, Tools, Sharepoints, etc.) abzulösen.

Erfolgsfaktoren für Kostensenkung in SG&A-Bereichen

Um SG&A erfolgreich als Chance zu nutzen, gibt es eine Reihe an entscheidenden Erfolgsfaktoren. In erster Linie ist das Buy-In des Managements und eine Top Down Zielsetzung entscheidend. Auf Arbeitsebene sollte ein cross-funktionaler Ansatz in Form von Best Practice Sharing über Standorte hinweg verfolgt werden. Wichtig ist ferner die Bereitschaft, bestehende Strukturen grundsätzlich zu hinterfragen. Je nach Unternehmenskultur, fällt besonders das Zusammenlegen von Rollen und Hinterfragen von Führungsebenen in managementnahen Bereichen oft schwer.

Neben dem Buy-in des Managements, ist auch das Vertrauen der Mitarbeiter in die Maßnahmen entscheidend für den Erfolg. Besonders drei Kerndimensionen sind zu berücksichtigen: Training, Pooling der Mitarbeiter und Anreizprogramme. Ein lückenloses Konzept hilft, um existierende Strukturen (z.B. Beschäftigungsgarantien, Tarifgruppierungen) in ein zukünftiges Zielbild zu transformieren.

Fazit

Automobilzulieferer stehen durch die Kombination aus Preisdruck, historischen Verträgen mit OEMs und Kosteninflation an einem entscheidenden Punkt, an dem jetzt darum geht, Margen zu verteidigen und Kosten erneut auf den Prüfstand zu stellen.

Vor diesem Hintergrund bietet die Transformation der SG&A-Funktionen einen geeigneten Hebel, um Kosten zu reduzieren. Komplexität, unklare Prioritäten, Widerstände von Betriebsräten und Mitarbeitern und alte Legacy Strukturen stellen viele Unternehmen hierbei vor eine große Herausforderung.

Jetzt gilt es, das Problem an der Wurzel anzugehen, „No-Value Add“-Prozesse abzustellen, Strukturen und Prozessen zu vereinfachen sowie Digitalisierung, Automatisierung und Sachkostenreduktion voranzutreiben.

Haben Sie weitere Fragen zur Kostenreduktion im SG&A-Bereich? Melden Sie sich gern bei unseren Autoren des aktuellen Newsletters.

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